Linken-Bürgermeister abgewählt: SPD und AfD machen gemeinsame Sache Dammbruch oder Basisdemokratie?

Von Kai Rebmann

Eigentlich war es ein reichlich unspektakulärer Vorgang, wie er sich wohl jede Woche irgendwo in Deutschland ereignet. In Hildburghausen (Thüringen) wurde Bürgermeister Tilo Kummer (Linke) abgewählt. Bundesweite Aufmerksamkeit erreichte der Fall nur aufgrund der schlichten Tatsache, dass diesem Urnengang ein gemeinsamer Antrag von SPD und AfD vorausgegangen war. Und auch in den lokalen Medien wurde dieser an sich urdemokratischen Konstellation weitaus mehr Bedeutung zugemessen als der Frage, weshalb Kummer bei Teilen der Bürgerschaft und des Stadtrats eigentlich in Ungnade gefallen war.

In Hildburghausen rumorte es schon seit einiger Zeit. So soll es im Stadtrat unterschiedliche Auffassungen unter anderem zu Fragen rund um das Schwimmbad, einen Kindergarten und die Feuerwehr gegebenen haben. Letztere sitzt selbst mit vier Vertretern in dem Parlament. Zudem wurde dem Bürgermeister eine mangelhafte Kommunikation mit den Volksvertretern vorgeworfen.

Und so reifte innerhalb des Gremiums, allen voran bei den Alternativen und den Sozialdemokraten, der Entschluss, einen Bürgerentscheid über eine mögliche Abwahl des Rathauschefs auf den Weg zu bringen. SPD-Stadtrat Ralf Bumann wollte daher die Bürger über Kummers politisches Schicksal entscheiden lassen, wie er gegenüber dem MDR erklärte: „Bestätigen sie ihn im Amt, wird das den Bürgermeister stärken. Wenn nicht, gibt es die Chance für einen Neuanfang.“

Thüringer SPD droht mit Konsequenzen

Die erste Hürde bestand darin, im Stadtrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu organisieren, um das Verfahren einer Abwahl überhaupt auf den Weg bringen zu können. Alle Fraktionen außer der Linken stimmten dem entsprechenden Antrag zu, darunter auch der NPD-Politiker Tommy Frenck vom Bündnis Zukunft Hildburghausen (BZH), das vom Verfassungsschutz als „führende extremistische Vereinigung im Landkreis Hildburghausen“ eingestuft wird. Letztlich waren es aber eben auch die drei SPD-Stimmen, ohne die die notwendige Mehrheit nicht zu erreichen gewesen wäre.

Allein diese Tatsache, dass der Stadtrat geschlossen – abgesehen von den Parteifreunden des Bürgermeisters – für die Abwahl gestimmt hat, könnte man als deutlichen Hinweis auf offenkundige Probleme in Hildburghausen sehen. Nicht so in der Parteizentrale der Thüringer SPD, die sich im Stile einer Angela Merkel zum Eingreifen bemüßigt sah. Landeschef Georg Maier sprach von einem „großen Flurschaden“ sowie „einer roten Linie“ und leitete zunächst ein später zurückgenommenes Parteiordnungsverfahren gegen zwei der drei SPD-Stadträte ein, die dritte war zuvor schon freiwillig aus der SPD ausgetreten.

Dann verstieg sich der Sozialdemokrat noch zu diesen bemerkenswerten Aussagen: „Wir können eine Abwahl eines Linken-Bürgermeisters nicht mit Stimmen der AfD auf den Weg bringen.“ Einen demokratisch gewählten Bürgermeister abzuwählen, sei eine Maßnahme mit großer Tragweite, so Maier. Das mag zwar stimmen, kann unter Umständen aber auch der einzig gangbare Weg sein, um eine politisch zerfahrene Situation aufzulösen, so wie es jetzt offensichtlich auch in Hildburghausen der Fall gewesen ist.

Zum Schluss fragte der Thüringer SPD-Chef noch: „Wie sollen wir denn noch Menschen finden für solche Ämter, wenn sie ständig Gefahr laufen, bei Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten abgewählt zu werden?“ Klingt fast so, als wären Bürgermeister in Deutschland ehrenamtlich tätig und man müsste sie ob ihrer selbstlosen Aufopferung für die Allgemeinheit in Watte packen.

Klares Ergebnis, knappes Votum

Und auch von einer „ständigen Gefahr“ der Abwahl kann natürlich keine Rede sein. Ein solches Verfahren ist an durchaus hohe Hürden geknüpft, wobei die Zwei-Drittel-Mehrheit im Stadtrat nur eine davon ist. Denn auch beim eigentlichen Urnengang müssen noch mindestens zwei weitere Kriterien erfüllt werden. Erstens braucht es mehr Ja- als Nein-Stimmen und zweitens müssen sich mindestens 30 Prozent der insgesamt Wahlberechtigten für eine Abwahl aussprechen.

In Hildburghausen standen 2.853 Ja-Stimmen nur 1.390 Nein-Stimmen gegenüber. Dennoch reichte es am Ende nur relativ knapp zur Abwahl von Bürgermeister Tilo Kummer, da die 30-Prozent-Hürde bei 2.802 Stimmen lag.

Der Linke akzeptierte das Votum der Wähler und kündigte bereits an, bei der nun notwendig werdenden Neuwahl nicht mehr kandidieren zu wollen. Er hoffe jedoch, dass sein Nachfolger dem „demokratischen Spektrum“ angehören werde, so Kummer.

Was passiert bei der nächsten Landtagswahl?

Wie dieses selbsternannte „demokratische Spektrum“ in Thüringen mit eben dieser Demokratie bisweilen umzugehen gedenkt, hat nicht zuletzt die politischen Nachwehen der Landtagswahl 2019 gezeigt. Richtig spannend dürfte es in Erfurt spätestens im Herbst 2024 werden, vielleicht aber auch schon deutlich früher. Denn nach Lage der Dinge steuert die CDU auf die ultimative Zerreißprobe zu.

Laut aktuellen Umfragen liegen AfD und Linke bei jeweils rund 25 Prozent, mal mit leichten Vorteilen auf der einen, mal auf der anderen Seite. Die CDU liegt bei rund 20 Prozent, alle anderen Parteien liegen im einstelligen Bereich und würden bei der Regierungsbildung derzeit keine Rolle spielen.

Da man eine „Große Koalition“, die in diesem Fall aus AfD und Linken bestehen würde, wohl ausschließen kann, müsste sich die CDU entscheiden, für wen sie den „Königsmacher“ spielen und wem sie sich lieber als Juniorpartner andienen will.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Westlight/Shutterstock

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